Reinhold und Hella Martin und Alexandra Preißing haben Fritz Stagge und sein Lokal in bester Erinnerung:
In Scharmbeck gibt es in früheren Zeiten zahlreiche Krüge, wie man die Gaststätten damals nennt. Die Anfänge des heutigen Stagge-Hauses lassen sich bis ins 17. Jahrhundert zurückverfolgen. Das Haus steht hier an einer äußerst günstigen Stelle, direkt am Markt und an der Durchgangsstraße nach Stade.
1814 wird das Haus umgebaut und erhält sein jetziges Aussehen. Am Giebel erkennt man ein M und ein S – die Initialen des damaligen Besitzers und Wirtes Martin Seedorf.
Das beste Geschäft wird im 19. Jahrhundert an Markttagen gemacht. Stagges Hotel ist beliebt bei den Viehhändlern, die von weither anreisen, um hier Zuchtvieh oder Schlachtvieh zu kaufen. Als besonderen Service gibt es sogar einen Hausdiener, der die Reisenden vom Bahnhof abholt, und Ställe für die Pferde der Gäste, die mit eigenem Gespann anreisen. In der Gastwirtschaft herrscht derweil Hochbetrieb. Es ist üblich, Geschäftsabschlüsse kräftig mit Alkohol zu begießen. Außerdem gilt es, Kontakte zu Freunden und Bekannten zu pflegen. Die Gäste stehen in Dreierreihen vor dem Tresen. Bier und Schnaps werden nach hinten durchgereicht. Rauchschwaden ziehen umher und Krach erfüllt den Raum. So oder so ähnlich sieht es in allen Krügen aus, wenn im Frühjahr und Herbst Viehmarkt ist.
Nachdem mehrmals die Besitzer gewechselt haben, erwirbt der Gastwirt Heinrich Stagge das Gasthaus mit Hotel. Sein Sohn, Fritz Stagge, baut später den Dachboden seines Elternhauses aus und gibt dort 1964 seinen ersten „Plattenabend“. Das ist der Beginn einer neuen Ära, die den Namen von Stagges Hotel in der ganzen Region bekannt macht und dem Haus Kultstatus verleiht.
Fritz Stagge trifft den Nerv der Zeit. Mindestens einmal pro Woche verwandelt sich das Lokal in eine beliebte Diskothek. Außerdem gibt es regelmäßig Live-Konzerte von Beat- und Rockbands. Im Prinzip wird hier alles gespielt, was nicht Mainstream ist. Rock-Musik ist angesagt, Pop eher verpönt. Und es kommt vor, dass Fritz eine Platte zerbricht, wenn sie ihm gar nicht gefällt.
Die Diskothek ist auch ein Sammelbecken für Andersdenkende, Friedensbewegte und Unangepasste. Ein leicht verruchter Ort, vor dem manche Eltern ihre Kinder warnen.
Der Slogan „Wir sind nicht im Ritz, sondern bei Fritz“ ist weithin bekannt und macht deutlich, dass es Fritz Stagge als Person ist, der die Anziehungskraft dieser Disko ausmacht. Er ist wichtige Anlaufstelle und Elternersatz für viele Jugendliche und dabei anerkannte Respektsperson, die sagt, wo es lang geht.
Das Ende dieser Institution kommt im Jahr 2000, als Fritz Stagge sein Lokal verkauft und sich aus dem Geschäft zurückzieht. Er stirbt 2021 in Goslar.