Hier findet alljährlich der Scharmbecker Herbstmarkt statt, der wie in alten Zeiten auch einen Viehmarkt bietet. Damit knüpft die Stadt an eine alte Tradition an. Der erste Scharmbecker Herbst- und Viehmarkt wird am 17. Oktober 1748 abgehalten. Da der Markt sehr erfolgreich ist, wird er 50 Jahre später von einem auf zwei Markttage erweitert. Daneben gibt es regelmäßig einen weiteren Viehmarkt im Mai.
Im 19. Jahrhundert wachsen die Märkte weiter. Immer mehr Bauern treiben ihr Vieh zum Markt nach Scharmbeck. Schließlich reicht der Marktplatz, damals die Wurth genannt, zum Aufstellen der Tiere nicht mehr aus. Um Platz zu gewinnen, nutzt man zunächst die Höfe der anliegenden Häuser mit. Später werden sämtliche Straßen rund um den Marktplatz einbezogen.
1862 wird die Eisenbahnstrecke Bremen – Geestendorf, heute Bremerhaven, eröffnet, mit dem Bahnhof in Osterholz-Scharmbeck. Das gibt den Märkten weiteren Schub. Das Vieh muss nun nicht mehr über 70 Kilometer und mehr getrieben werden, sondern wird direkt am Bahnhof verladen. Dadurch erweitert sich der Kreis der auswärtigen Viehhändler. Scharmbeck entwickelt sich zu einem der größten Viehmärkte im nordwestdeutschen Raum. In manchen Jahren werden mehr als 4.000 Stück Vieh verkauft: Hauptsächlich Pferde und Rinder, aber auch Schweine und Schafe.
Die Marktweide wird erst um 1900 in den Marktbetrieb einbezogen, als die Kirchengemeinde die ehemalige Pfarrweide an Scharmbeck verpachtet. Das Aufstellen so vieler Tiere auf engem Raum muss gut organisiert sein. Verordnungen regeln, wo welches Vieh in den unterschiedlichen Qualitäten und Altersstufen aufzustellen ist. Um die Tiere anzubinden, werden große Mengen Pfähle gesetzt und mit Ketten und Stangen verbunden. Schließlich stehen die Rinder und Pferde dicht gedrängt in Reih und Glied.
Das Feilschen der Händler und Bauern verläuft nach Ritualen. Oft wird es laut und es bilden sich Trauben von Zuhörerinnen und Zuhörern. Am Ende besiegelt ein Handschlag das Geschäft, das mit Bier und Schnaps, auch Köm oder Schluck genannt, begossen wird. Dafür gibt es zahlreiche Lokale rund um den Markt. Und manche Gaststätten und Hotels bieten einen zusätzlichen Ausschank vor oder hinter dem Haus.
Für die Bewohnerinnen und Bewohner sind es anstrengende Tage mit Krach, Gebrüll, Staub und Massen von Tieren, die überall lagern. Aber für die meisten lohnt es sich auch. Wer kann, bietet Essen, Getränke und Übernachtungen an. Manch eine Familie zieht in die Scheune ins Heu und quartiert die Gäste im eigenen Schlafzimmer ein.
In Verbindung mit dem Viehmarkt im Herbst entwickelt sich ein Krammarkt, wo zunächst vor allem landwirtschaftliche Geräte und Haushaltsbedarf angeboten werden. Später kommen Jahrmarktsbuden und Fahrgeschäfte dazu.
Heute ist der Scharmbecker Herbstmarkt ein großes Volksfest, das fünf Tage dauert und ein Füllhorn von Angeboten für Jung und Alt bereithält. Montags gibt es einen Viehmarkt auf der Marktweide. Der Verkauf spielt zwar kaum noch eine Rolle, dafür freuen sich die Kinder über Pferde, Ziegen, Hühner und andere Tiere.
Ein Highlight des Marktes ist das Ratespiel um das Gewicht des Scharmbecker Bullen, der als lebendes Exemplar präsentiert wird. Die Besucherinnen und Besucher schätzen sein Gewicht. Je nach Rasse bringt ein ausgewachsener Bulle um die 1.000 Kilogramm auf die Waage. Am Montagabend wird das Rätsel gelüftet. Und wer am nächsten dran ist, gewinnt einen Preis.