Dies ist ein geschichtsträchtiger Ort. Das Gebäude wird 1878 von der jüdischen Familie Davidsohn erbaut, die hier ihr Textilkaufhaus neu eröffnet, das sie bereits 100 Jahre lang an anderer Stelle geführt hat.
Die Davidsohns sind angesehene Bürgerinnen und Bürger und betreiben ihr Geschäft mit großem Erfolg. Es ist bekannt in der ganzen Region. Wenn Viehmarkt ist, kommen die Menschen von weither nach Scharmbeck. Und viele statten gleichzeitig dem Kaufhaus Davidsohn einen Besuch ab, denn dort gibt es zu Marktzeiten besonders günstige Preise. „Der Gipfel der Billigkeit!“ heißt es in einem Inserat zum Herbstmarkt. Seit 1919 führt Ernst Davidsohn die Geschäfte. Im Laufe der Zeit wächst das Angebot und es werden nicht mehr nur Textilien verkauft, sondern Haushaltswaren aller Art.
Mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten beginnen schwere Zeiten. Am 1. April 1933 wird zu einem „Judenboykott“ aufgerufen. Auf Plakaten steht „Deutsche! Kauft nicht bei Juden!“ 1935 verbreitet das „Amt für Volksgesundheit“ ein Schreiben, in dem u.a. jüdische Kaufleute als „Verräter an Volk und Vaterland“ beschimpft werden. Im August 1938 gibt es eine gesetzliche Regelung für jüdische Vornamen: Männer bekommen den Zusatznamen „Israel“, Frauen den Namen „Sarah“. Der Inhaber des Textilkaufhauses muss sich nunmehr Ernst Israel Davidsohn nennen.
Aber es kommt noch schlimmer. Während der sogenannten Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 gibt es in der ganzen Stadt Übergriffe auf jüdische Menschen und Einrichtungen. Ernst Davidsohns Cousine Ilse wird in ihrer Wohnung überfallen und schwer verletzt. Andere Mitglieder der Familie kommen in sogenannte Schutzhaft. Kurz danach folgt die „Entjudung der deutschen Wirtschaft“, wie es in der NS-Propaganda heißt. Im November 1938 wird verordnet, dass Jüdinnen und Juden als Unternehmerinnen und Unternehmer aus dem Einzelhandel, dem Handwerk und dem Marktverkehr endgültig ausscheiden.
Ernst Davidsohn ist gezwungen, seinen Betrieb an Heinrich von Seggern zu verkaufen. Dieser verkündet in der Zeitung, dass das Kaufhaus in seinen Besitz übergegangen und somit ein „arisches“ Unternehmen geworden sei.
Jüdinnen und Juden können jetzt kein normales Leben mehr führen. Sie müssen sämtlichen Besitz abgeben und werden gezwungen, in sogenannte Judenhäuser umzuziehen. Am Ende stehen Deportation und Ermordung in einem Konzentrationslager. So geht es auch Ernst Davidsohn und seinen Verwandten.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges entwickelt sich das Textilkaufhaus von Seggern erneut zu einem beliebten Einkaufsziel. Jedoch laufen die Geschäfte ab den 1990er Jahren nicht mehr so gut. Das Textilhaus wird geschlossen und das Gebäude in der Folge an verschiedene Firmen vermietet.
Im Frühjahr 2019 kauft die Firma Stehnke aus Osterholz-Scharmbeck das Gebäude und baut das ehemalige Kaufhaus zu einer Klinik um.